von Jörg Streese

Wege. Rügen per Rad.

Wege. Rügen per Rad.

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Published on Juli 22nd, 2010 @ 00:19:09 , using 654 words,
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.
Wege. Rügen per Rad.

Der nette Hafenmeister leiht mir sein Fahrrad und ich mache mich auf, an der Küste auf winzigsten Feldwegen durch diese unglaubliche Rügen-Landschaft zu fahren. Eine solche wohlgefällige Hügellandschaft kenne ich nirgendwo in Deutschland.

Viele Kindheitserinnerungen werden hier wach: wenn ich mit meinem Großvater, der ein "professioneller" Wanderer war (er war in Bremen in den 20ziger Jahren als Ingenieur für die Straßenbeleuchtung zuständig und beständig am Durchwandern der Straßen, um die Leitungsquerschnitte für die entsprechende Beleuchtung im Kopf zu berechnen) am Sonntag durch die Bremen umgebenden Landschaften war, dann waren das Felder, wie ich sie hier wieder gefunden habe: Die Kanten nicht mit dem Lineal gezogen, sondern weich, der Landschaft angepasst; an den Feldrändern sah man Feldblumen so wie hier; und vor allem: Die Wege: nicht einheitliches Betumen sondern mal Sandwege, mal Waldwege, mal etwas befestigte Wirtschaftswege dann wieder typische Holperstrecken, dann mit tiefen Schlammlöchern versehene Wege: Kurz: Jeder Weg war anders und das Auge konnte sich gar nicht sattsehen an den vielen schönen unterschiedlichen Dingen. So wie hier.

Und: Rügen ist das Land der Baum-Alleen. Selbst der winzigste Ackerweg wird als Allee angelegt.

In dem (Yacht)-Hafen Lauterbach, in dem ich irgendwann lande, ist Jahrmarkt. Ich genehmige mir ein großes Schwarzbier und ein Steak mit Pilzen am Grillstand und die Bühne macht Soundcheck und spielt dafür herrlichen erdigen Rock und ich bleibe sitzen und träume eine ganze Weile vor mich hin und geniesse die Musik. Jugenderinnerungen.

Dann irgendwann ist der Check vorbei und ich mache mich auf nach Kotbus, was sich als eine glänzende Repräsentationsarchitekturstadt heraus stellt. Aber so recht viel Zeit habe ich nicht und zudem ist da auch noch ein Bücherantiquariat und ich bin kaum drin , da komme ich auch schon mit 5 kg Bücher für 10 EUR heraus - ich konnte garnicht anders.

Als ich dort eine historische wunderschöne 8-Farbdruckkarte von 1878 von Rügen aufklappe und mich in sie versenke, kommt die Besitzerin dazu und ich sage, ich würde mich nur kurz informieren wollen, wie ich denn wieder zurück nach Puddemin komme. Sie sagt, das sein mit dieser Karte wohl nicht möglich. Als ich ihr erkläre, dass ich per Rad da sei, sagt sie: Dann haben sie genau die richtige Karte: Denn auf dieser sei noch der Verlauf der ehemaligen Schmalspurbahn enthalten, und diese Strecke sei jetzt zu einem Fernwanderfahrradweg umgebaut worden und die Strecke führe direkt u.a. nach Puddemin, denn das sei früher ein wichtiger Hafen für die Verschiffung der Rügener Kreide und Rüben gewesen und die Zeesschiffe waren ja sehr flachgehende Schiffe, die in diesem Wiek gut zurecht kamen. Die Straße lang, dann bei PENNY rechts rein, geradeaus und dann stoße ich auf die Schmalspurtrasse und dann links rum und immer der Spur folgen.

Vorher will ich aber noch nach Bergen.

Auf dem Weg zurück auf dieser ehemaligen Schmalspurstrecke bleibe ich irgendwo stehen, weil mir was aufgefallen war - ich aber nicht richtig wusste, was.

Ich lege mich in das Gras unter einer alten Eiche, schaue auf den herrlich geschwungenen Rücken eines Weizenfeldes, aber dieser Blick ist es nicht, weswegen ich anhielt.

Dann merke ich es: Kein Geräusch.

Absolute Stille, wie ich sie noch nirgendwo so deutlich hören konnte: Stille.

Nur ab und zu ein dicker Brummer, dann wieder anfassbare Stille, die mich wie Dicke Milch umgibt.

Ich genieße diese Pause, träume, seh den Wolken nach, wenn welche über den Himmel segeln und überlaß mich den Gedanken, wo mich mein Weg mit MISS SOPHIE wohl noch so alles hinbringen wird.

Auf dem Weg zurück an einer Gärtnerei vorbei: Tomaten, Gurken, Möhren und Zucchinies gekauft. 5 EUR.

Nach ca. 80 gefahrenen Km und einem etwas wunden Hintern, denn die Wege hier auf Rügen sind gewöhnungsbedürftig, wieder in Puddemin, wo ich mir ein großes Glas Bier gönne und mit zwei anderen Seglern schnell in ein gutes Gespärch komme: Der eine geflüchtet und jetzt hierher zurückgekommen, der andere geblieben und die beiden kennen  sich aus der Schulzeit und segeln jetzt schon seit Jahren miteinander.

Es gibt Salat.

 

 

 

2 Kommentare

Kommentar von: Urte Seidel
Urte Seidel

Lieber Jörg, was für eine eindrückliche Stimmungsbeschreibung! Das Erleben der Stille, die Faszination dessen, was eben nicht da ist und die zeit, die es braucht, um zu merken, dass das, was einen im Innern erreicht, etwas ist, was fehlt, eben Lärm, Geräusch - dieses Erleben kenne ich auch von Ostfriesland und es ist einer der Gründe, weshalb es mich dahin zieht.
Ab morgen bin ich wieder für ein paar Tage dort - ich werde dann später Dein Tagebuch nachlesen. Bis bald liebe Grüße von Urte

26.07.2010 @ 23:01
Hellga Baltschun

Lieber Jörg,
ja, da hast Du mich mit Deinen inneren wie äußeren Erlebnissen auf diese wunderbare Insel geholt. Ich war 1990 dort, mit dem Rad unterwegs. Diese knorzigen Bäume an den Weg-und Straßenrändern scheinen viel zu erzählen, haben reichlich unter der Rinde und im Blattwerk zu berichten: Du hast sie offenbar auch befragt!
Was mir übrigens sehr gefällt: Du erzählst auch gern von Deinen Speisen, dem leckeren Bier… Und die frisch erworbene Literatur in Kilogramm zu bemessen, finde ich wunderbar.
Es grüßt Dich herzlich
Hellga

29.07.2010 @ 10:40


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