von Jörg Streese

Törnbericht: Ich liebe dramatische Anfänge - von Mönkebude nach Swinoujsie

Törnbericht: Ich liebe dramatische Anfänge - von Mönkebude nach Swinoujsie

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Published on Mai 24th, 2011 @ 19:52:31 , using 852 words,
Törnbericht: Ich liebe dramatische Anfänge - von  Mönkebude nach Swinoujsie
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Ich liebe dramatische Anfänge

Anders kann ich es mir nicht erklaeren

Dienstag, 24.05.2011 Mönkebude – Swinoujsie

Der Wetterbericht meldete am Montag-Abend für die Boddengewässer Ost bis 12:00 SW 5-6 mit schweren Schauerböen und für den weiteren Tag SW – W 5.

Für den Törn nach Swinoujsie eine ideale Windrichtung – vielleicht ein bisschen viel, aber es ist ein geschütztes  Gewässer und die Böen fürchtete ich nicht so sehr, denn ich gedachte, mich lediglich von der Arbeitsfock und dem raumen Wind ziehen zu lassen. Der Himmel zu 90 % mit Stratus- und Cumuluststratus bewölkt, waren, nachdem ich getankt hatte, auch die besagten SW 4-5 Windstärken da, bald jedoch ging der Wind schon auf W und schraubte sich langsam auf 6, dann langsam  auf 7 Beaufort rauf.
Herrliches segeln, ich sitze auf dem Dollbord, steuere MISS SOPHIE mit dem aus einer Krücke gebauten Pinnenausleger und schaue immer wieder neugierig auf die Geschwindigkeitsanzeige, die zwischen 5,3 und 6,8 kn pendelt – nur unter Fock.

Um 11:45 bin ich an der Haff-Tonne, die die Grenze zwischen Deutschland und Polen kennzeichnet und jetzt sind es nur noch wenige Meilen, und ich kann in die Kaiserfahrt einsteuern, dem künstlichen Kanal, der die Oder und das Stettiner Haff mit der südlichen Ostssee verbindet.

Als jetzt öfters die Geschwindigkeit auf über 7,6 kn geht, merke ich, welche Kraft und Gewalt in dem achterlichen Wind stecken, der längst auf gute 8 Windstärken angewachsen ist und vermutlich schon 9 erreicht hat - wie der Wetterbericht ja auch angekündigt hatte -  und ich merke langsam, das ich gleich ein ziemliches Problem bekommen werde.

Der Kanal verläuft in südwestlicher Richtung und wirkt natürlich für den herrschenden WNW-Wind wie eine Düse und wird die Windgeschwindigkeit noch einmal erhöhen.
Da hier sich auch schon ein bischen Welle aufgebaut hat ( ca 1 – 1,5 Meter), hatte ich mir überlegt, so hoch an den Wind zu gehen, wie möglich, um unter Fock in den durch zwei Molen geschützten Eingangsbereich einzulaufen und dort dann die Fock im Schutz dieser Mauern zu bergen.

Dazu musste ich hoch an den Wind und die Fock dafür trimmen. Jetzt merkte ich die Gewalt des Windes, denn trotz Winsch und Kurbel gelang es mir nicht, die Fock dichtzuholen, weil ich dafür beide Hände brauchte und das Ruder irgendwie mit den Füßen zu steuern versuchte, weil MISS SOPHIE sofort in den Wind schoss, als ich sie höher an den Wind legte.
Also ließ ich sie pendeln zwischen hoch am Wind, wo sie unkontrollierbar wurde und sich so weit wegkrängte, dass sie in den Wind zu schiesssen begann und wieder abfallen lassen, um möglichst nah an die Einsteuerung in die Molenköpfe zu kommen.

Jetzt waren meine Schwierigkeiten da. Zu spät die unaufhaltsam anwachsende Windstärke bewusst wahrgenommen und spät das Problem erkannt, in die schmale Moleneinfahrt hereinzukommen.
Für einen Moment habe ich überlegt, einfach nach Ziegenort abzulaufen, also dem polnischen kleinen Hafen an der Odermündung ins Stettiner Haff, was mit dem halben Wind ein Kinderspiel gewesen wäre und dort im Windschatten in den Hafen einzulaufen.
Aber ich war jetzt auf Swinouj'sie gepolt und legte mir dies als Alternative zurecht, wenn hier jetzt irgendetwas schief gehen sollte.
Jetzt war ich fast zwischen denn Molenköpfen und musste in den Wind. Auf keinen Fall durfte ich hier durch den Wind gehen, dann würde die Fock sofort back schlagen und das Schiff querkommen und bis ich die Fock losgeschlagen hätte, säße ich auf den Molenköpfen.
Den Motor hatte ich vorher schon angeworfen, um ihn warmlaufen zu lassen, denn jetzt ruhte mein ganzes Vertrauen auf ihm: eine kurze Bitte in den Himmel, wer auch immer dort die Bitte hören würde, lass den Motor bei der Krängung genügend Öl pumpen, dass er seine Arbeit tun kann, und dann brach die Hölle los. Als die Fock im Wind stand, rüttelte sie derart das Rigg durch, dass ich angstvoll auf den Mast schaute, aus Angst, er würde das nicht durchstehen und brechen.
Vollgas. Dann war ich drin im Becken. Jetzt Pinne belegen, nach vorne hasten und die Fock runterreißen. Es gelang mir nicht, obwohl ich mich mit meinem Gewicht auf das Segel warf, sie festzubänseln, denn schon näherte ich mich dem Molenbollwerk und musste nach achtern, MISS SOPHIE wieder auf Kurs zu bringen und wieder nach vorne und diesmal kriegte ich sie gebändigt und gebänselt.
Wieder nach hinten und den Motor etwas gedrosselt und nun merkte ich plötzlich, dass ich einen vollkommen trockenen Mund hatte. Einen Schluck Wasser und tief durchatmen. Gutgegangen.

Aber nächstesmal Schwimmweste an und vielleicht den sicheren Weg nach Ziegelort.

Übrigens hat es in dem kleinen lokalen Sturm meinen Windex weggerissen, der kleine Anzeigepfeil im Masttopp, der mir die Windrichtung anzeigt. Nun werde ich wohl bis Danzig ohne segeln müssen.

Eine Stunde später war nichts mehr von Wind da, die Sonne schien und es war ein prächtiger Nachmittag.
In Swinoujsie war die Marina Polnocna wegen Bauarbeiten geschlossen und ich musste zurück in den Winterhafen und konnte dort in dem netten aber teueren Yachtclub „Kotwica“ an Heckboje festmachen.
Und kaum da, fing es wieder an zu blasen und die Böen fegten über den Steg, aber hier im Schutz von Land und Gebäuden war das alles nichts gegenüber dem, was ich gerade da draussen erlebt hatte.

Scheinbar liebe ich dramatische Anfänge. Letztes Jahr der Törn nach Helgoland, dieses Jahr meine Sturmfahrt nach Swinoujsie – schaun wir mal, womit wir nächstes Jahr beginnen.

2 Kommentare

Rainer Götsch,, Rostock

Grüße aus dem sonnigen Rostock.
Habe an dich die ganze Zeit gedacht, lieber Jörg.
Swinoujscie (Swinemünde) -Stettin (Szczecin) ist eine schöne Strecke. Ich habe einmal die Fahrt gemacht mit dem Tragflächenboot.
Stettin ist ja die alte pommersche Hauptstadt und als gebürtiger Vorpommer aus Wolgast-Mahlzow hat es mich schon 1971 dahin gezogen, um einen Freund zu besuchen, der 1981 wegen der Solidarnosc-Unruhen nach Oldenburg (Oldb) ausgewandert ist.
Für deine weitere Fahrt nach Danzig und Riga wünsche ich dir allzeit gute Fahrt und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel.
Rainer

30.05.2011 @ 13:30
Rainer Götsch,, Rostock

achso, noch ein Hinweis:
Swinemünde heißt auf polnisch ´Swinouj´sie.
Gruß, Rainer
Die Akzente machen aus dem S ein Sch

30.05.2011 @ 13:32


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