von Jörg Streese

Der erste Tag in Finnland: Eine Katastrophe

Der erste Tag in Finnland: Eine Katastrophe

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Published on Juli 9th, 2012 @ 15:21:55 , using 867 words,
Der erste Tag in Finnland: Eine Katastrophe

 

Nach einem kleinen Erkundungsgang, der aber nur auf der Zugängerstraße zu diesem Yachthafen möglich ist, weil das gesamte Ufergelände von finnischen Häuslebesitzern okkupiert ist, die überall kleine Schilder aufgestellt haben ….... , was vermutlich so etwa heißt, wie: 'bitte nicht betreten – privat', stehe ist dann plötzlich nach einer Biegung der Straße rund 10 Meter vor einem kapitalen Hirschbock, einem jungen, weil sein Geweih noch sehr in Ansätzen ist, aber ein für meine Begriffe enorm großer Bock, der bestimmt eine Rückenhöhe von knapp 2 Meter hat und bleibe natürlich, schon aus Respekt, sofort stehen und wir schauen uns lange an.

Wäre es ein Mensch, würde ich nun langsam ein Lächeln auf meine Lippen bringen. Da Tiere aber meines Wissens nach Lächeln nicht als Lächeln erkennen können, sondern diese Mimik wohl eher als Fresslust interpretieren könnten, weil ich damit meine Zähne und damit mein Fresswerkzeug entblöße, untersage ich mir dieses Lächeln und bleibe einfach stehen. Atme langsam und beständig.


Ungeheuer große runde dunkle Augen schauen mich da an. Die Ohren drehen sich einmal um die Runde und sind dann wieder auf mich gerichtet – der Blick bleibt die ganze Zeit auf mich.


Dann sage ich ganz leise so einen Blödsinn wie : 'Hey' – die Augen schauen mich weiterhin an – ich wollte gerade 'interessiert' schreiben, aber damit würde ich wohl doch das ganze sehr vermenscheln – und auch diese Art von Kommunikationsangebot ist ja schon aus der Hilflosigkeit dieser Begegnung menschelnd erwachsen.

Aber es scheint auch nicht gestört zu haben. Ist ja auch schon mal was.


Irgendwann wurde es ihm dann wohl zu langweilig, Futter schien auch nicht in Aussicht zu stehen und ganz langsam drehte er sich um und verschwand langsam im Gebüsch.


Finnland.


Am Nachmittag wollte ich nun endlich der Welt die freudige Mitteilung machen, dass ich Finnland erreicht habe, aber das hiesige W-LAN-Netz bekomme ich nicht aktiviert.


Dabei hatte ich mich wegen der schlechten Empfangsqualität schon in den hiesigen kleinen Laden mit Tischen und Bänken gesetzt und war dafür schon bereit, hier für ein Bier 4,50 EUR auszugeben, damit ich hier sitzen und tippen kann – aber auch hier bekam ich das Netz nicht aktiviert.

Und meine 'abroadband'- Funkverbindung ins Netz habe ich verdusselt, weil ich meinen Netztwerkschlüssel mir nicht gemerkt habe und der, den ich mir notiert hatte, wohl falsch war – und nach der dritten Falscheingabe der Zugang erstmal gesperrt ist.

So ein Mist. Nun muss ich aufwendig versuchen, da wieder Zugang zu bekommen.


Grummelnd mit der Netzwelt und mit mir, ziehe ich mich erstmal wieder auf MISS SOPHIE zurück und überlege, was zu tun ist.


Kochen.

Das beruhigt, tut der Seele gut und dem Körper gut und sowieso.



Irgendwann danach überlege ich, wie es hier weitergeht.


Ich muss zu Geld kommen. Das geht hier nicht. Dafür muss ich einen anderen Hafen ansteuern. Also die Seekarte her und nach etwas größeren Häfen mit entsprechender Infrastruktur im Hinterland gesucht. Und jörn Heinrich befragt.


INKOO.

Von hier in westlicher Richtung, über den Daumen 20 sm, durch geschütztes, aber verwinkeltes Schären-Fahrwasser, dass ich mir langsam erobere und mir davon eine Skizze mache, die ich mit dem Kartenplotter abgleiche und mir dort ebenfalls digitale Orientierungslinien einbaue.


Dann überlege ich noch, wieviel Bares ich noch habe und ob ich hier meine Liegegebühr bar zahlen kann. Ich greife an die Stelle, wo mein kleines Plastiketui mit meinen wichtigsten Dokumenten einschließlich meiner letzten verbliebenen Scheckkarte immer steckt – und greife ins Leere.


Ach so, denke ich, die hatte ich ja in dem kleinen Laden mit, weil ich da sitzen wollte, um zu tippen und wenn da Getränkeverzehr für notwendig geworden wäre, hatte ich mich mit meinem Geld versorgt.

Also in die entsprechende Tasche der Hose gegriffen – nichts.


Nun wurde ich ein bisschen nervös.


Zettel: was hatte ich wann an und die entsprechenden Kleidungsstücke durchsucht.


NICHTS.


Meine Nervosität wurde zur UNRUHE.


Ich fing an, das halbe Boot auszuräumen und nach Geldbörse und Dokumentenetui zu suchen.


NICHTS.


PANIK.


Also erstmal zur Ruhe kommen. Gestohlen kann es nicht sein. Einzige Möglichkeit, ich habe es beim PC-Gebrauch in der Kneipe aus der Hosentasche genommen und es neben mich gelegt. Und es möglicherweise dort liegen gelassen, weil ich so genervt von dem nicht funktionierenden W-LAN-Netz war, als ich frustriert aufstand und ging.


Also schnell noch einen Gang zur Kneipe. Die hatte natürlich längst zu, denn es war ja schon 23:00 Uhr, was man aber ja in diesen Breitengraden nicht mitbekommt, denn da ist die Sonne gerade am Untergehen.


OK.

Heute ist da nichts mehr zu klären.


Dose Bier.

Und langsam wieder runterkommen.

Hat noch ne zweite Dose erfordert.


Am nächsten Morgen dann der Gang zum Waschhaus und auf dem Rückweg bei dem Laden vorbei, der 5 Meter von dem Waschhaus entfernt ist.


„Do you have found …...“ mehr brauchte ich garnicht zu sagen, denn da lächelte der junge Mann schon und winkte mit meinem gesuchten Etui, denn auf der durchsichtigen Aussenseite ist mein Presseausweis mit Lichtbild zu sehen.


Ein Berg rutschte mir vom Rücken, ich bedankte mich Hundert mal und sooooo gut hat mein Frühstück schon lange nicht mehr geschmeckt.


Aber den heutigen Tag regnet es immer wieder mal zwischendurch und ich entscheide, den geplanten Törn morgen zu machen – und heute noch ein bischen die vermiedene Katastrophe zu geniessen.

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