von Jörg Streese

Nach Ruhnu. MISS SOPHIE wettert Windstärke 10 ab.

Nach Ruhnu. MISS SOPHIE wettert Windstärke 10 ab.

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Published on Juli 3rd, 2016 @ 16:32:00 , using 645 words,
Nach Ruhnu. MISS SOPHIE wettert Windstärke 10 ab.
Nach Ruhnu. MISS SOPHIE wettert Windstärke 10 ab.
Nach Ruhnu. MISS SOPHIE wettert Windstärke 10 ab.

Am  Samstag sollte es nun endlich losgehen.
Moderate 2-3, später dann 3-4, ein Wind aus südlichen Richtungen und immer mal wieder Sonne.

Morgens dann noch mal schnell Motoröl kontrolliert. Ich finde den Ölpeilstab nicht, weil der bei meinem VETUS unmöglich versteckt angebracht ist.
Dann meine ich die Öffnung für den Ölpeilstab zu ertasten, aber eben nur die Öffnung, nicht den darin sitzenden Peilstab.
Der Motormensch hat den Peilstab vergessen wieder einzusetzen.

Panik.

Ohne den Peilstab, der ja gleichzeitig die Abdichtung für das Öl bei Krängung ist, können wir nicht losfahren.
Und wo hier in Lettland für einen VETUS einen Peilstab bekommen, das dauert ja Wochen.
Stimmung sinkt auf Tiefkühlniveau.

Mehr aus Verzweifelung, irgend was zu tun, mache ich die Motorabdeckung auf, was ein ziemlicher Arbeitsaufwand ist, weil die Bodenbretter entfernt werden müssen etc etc, steige in den Motorraum – und was ist an seiner Stelle, wo er hingehört?
Der Peilstab.

Emotionen wieder langsam runterfahren, und dann los.

Dörte will erstmal Gefühl für das Schiff bekommen und steuert.
Wir laufen 5 kn unter der Fock, weil wir den Wind direkt von achtern haben, die Sonne scheint, es ist etwas Welle da und langsam kommen wir wieder auf Normaltemperatur.

Bis Ruhnu, diese kleine Insel mitten im Finnischen Meerbusen sind es gute 30 sm, bei 5 kn Geschwindigkeit also 6 Stunden, und wir segeln bei sehr gleichmäßigem Wind so dahin.

Dörte hat inzwischen mehrere Stunden an der Pinne gestanden und macht jetzt Pause und ich schmeiße die Holland Windvane an und wir lassen uns von ihr jetzt auf die Insel zusteuern.

Es wird 16:00 Uhr.

Der Wind wird etwas mehr, ich kopple die Windvane aus, weil wir die Ansteuerungstonne schon gesichtet haben, als Doris sagt, „Du guck mal die Wolke hinter uns wird immer dunkler, ist da Wind drin?“

Ich wollte gerade antworten, als es anfängt zu regnen und mir noch so durch den Kopf geht, „erst der Regen dann der Wind, nimm herunter die Segel geschwind“ und bin gerade am Überlegen, ob wir in dieser Situation sind, als schon die erste Böe ins Segel jagt und der Regen zum Wolkenbruch wird, der vom Wind wagerecht auf uns zu fegt, keine Chance noch was überzuziehen, jetzt geht es darum , die Situation abzuwettern.
 
MISS SOPHIE stürzt los, mit 8,5 kn tobt sie jetzt durch den sich schnell aufbauenden Seegang, ich sehe überhaupt nichts mehr, nicht nur, weil meine Brille vom Regen dicht ist, sondern auch weil der waagerechte Regen wie eine Wand vor uns steht und denke nur eins: nicht querschlagen, MISS SOPHIE laufen lassen und schauen, dass sich dies irgendwie irgendwann beruhigt und wir die Fock gegen die Sturmfock austauschen können.

Hinter uns ist es Schwarz.

Über uns ist es Schwarz.

Das kann noch Stunden dauern denke ich.

MISS SOPHIE krängt bis zu den Fenstern weg, macht sich aber ansonsten absolut vertrauenserweckend, so dass überhaupt keine Angst aufkommt, sondern eben: „DAS IST JETZT SO UND DA MÜSSEN WIR DURCH UND DA KOMMEN WIR AUCH DURCH.

Innerhalb einer Minute bin ich bis auf die Haut nass, aber was überziehen kommt überhaupt nicht in den Sinn, denn das Schiff jetzt hier durchzubringen ist der einzige Gedanke.

Eine Böe jagd die andere, wir haben zum Glück hier freie Seefläche und ich kann MISS SOPHIE sich die angenehmste Stellung zum Wind suchen lassen, sie bleibt in ihrem Verhalten ruhig und vertrauenserweckend, „Braves Mädchen“ denke ich, lass sie machen und konzentriere mich darauf, ruhig zu bleiben und MISS SOPHIE unter Kontzrolle zu halten.

Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei, wir drehen bei Windsärke 4-5 um und segeln zurück und laufen in den Hafen ein. Es ist inzwischen wieder moderater Wind und nach uns kommt die „Västerhaven“ rein mit zerrissenem Großsegel im dritten Reff und Charly, der bald zu uns rüber kommt, sagt, er habe mit seinem Windmesser im Masttopp 49 kn gemessen, das ist Beaufort 10.

Dörte und ich gucken uns an, fangen an zu grinsen und klatschen uns ab: „Gut gemacht, MISS SOPHIE“.

Es war schlicht und einfach eine lokale Wetteranomalie, die in keiner Wettervorhersage voraussagbar ist, deshalb auch so kurz, aber diese Kürze hatte Pfeffer dabei.

1 Kommentar

Kommentar von:

Hallo Jörg und Dörte:Das ist dann ja schon praktisch die Taufe für die Miss Sophie in dieser Sommersaison gewesen. Aber es heißt ja das Glück gehört den Tüchtigen.Jedenfalls seid ihr gut auf dieser Insel angekommen. Miss Sophie scheint ja wirklich ein Schiff durchaus auch für Starkwind zu sein. Herzliche Grüße von Ulrich

8.07.2016 @ 11:36


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